Da die Interviewecke seit l�ngerer Zeit stark verwaist ist, habe ich auf der
HEW `99 die Chance genutzt und Thomas Raukamp (Chefred. der AmigaOS) um ein
Interview gebeten, welches wir per E-Mail abgehandelt haben. Here we go:
Könnten Sie sich mal kurz unseren Lesern vorstellen....
Nun, mein Name ist Thomas Raukamp, ich bin 30 Jahre alt und Geschäftsleiter
der Firma thomas raukamp communications. Im Amiga-Bereich ist unsere
Zeitschrift amigaOS bekannt, der ich als Chefredakteur und -layouter
vorstehe. Ich lebe im hohen Norden - in Rendsburg in Schleswig-Holstein -
entsprechend liebe ich das Meer und die störrischen Leute hier oben. Ich bin
verheiratet mit Nicole und teile mein Leben außerdem mit 3 nervigen Katzen
und 7 Vögeln.
Als Chefredakteur einer Amiga Zeitschrift haben Sie sicherlich einen
Amiga zu Hause stehen. Wie ist dieser ausgerüstet und welche weiteren
Rechner sind bei Ihnen im ständigen Einsatz?
Ich habe einen Rechner zuhaus und im Büro stehen: Meine Hauptmaschine für die
Arbeit ist ein Amiga 4000/060/PPC mit 48 MB RAM. Dieser ist ausgerüstet mit
einer Cybervision 64 und einer Toccata. Ich nutze den Rechner eigentlich für
meine gesamte Arbeit, hauptsächlich schreibe ich also Artikel darauf und
layoute die amigaOS. Als DTP-Software nutze ich PageStream 3.4. Als EBV setze
ich hauptsächlich ImageFX, ArtEffect und ADPro ein.
Ich nutze außerdem hin und wieder einen Amiga 1200 mit 030-Prozessor,
hauptsächlich für Hardware-Testberichte. Außerdem begleitet mich dieser
Rechner, wenn ich auf Messen oder sonstwie unterwegs bin.
Außerdem steht auf meinem Schreibtisch ein Atari Falcon030, den ich
hauptsächlich als Fax und Anrufbeantworter nutze. Ich brauche ihn aber auch
für Testberichte für unsere Schwesterzeitschrift ST-Computer, hin und wieder
mache ich auch Musik damit.
Wie kam es eigentlich zur AmigaOS? Sind Sie auf den Falke Verlag
zugegangen oder ist dieser an Sie herangetreten?
Ich kenne Ali Goukassian, den Leiter des Falke Verlags, schon seit längerer
Zeit. Ich habe schon vor der amigaOS an der ST-Computer mitgearbeitet. An
einem lauen Sommerabend im August 1998 saßen wir in Alis Büro zusammen, und
ich sagte im Spaß zu ihm: "Ali, wir brauchen noch eine Zeitschrift. Machen
wir doch was für den Amiga". Ich hatte zu der Zeit schon seit einigen Jahren
einen Amiga. Ali schien mich nicht recht ernst zu nehmen (wie immer), rief
mich aber am nächsten Morgen an, um zu fragen, ob ich das mit dem
Amiga-Magazin ernst meinte. Wir haben dann ziemlich viel geplant, gerechnet
usw. Am Ende hatte ich genau 1 Monat, um das Magazin neu zu erfinden. Nun ja,
dafür ist es eigentlich recht gut geworden.
Die AmigaOS hat sich ja schnell auf dem Markt etablieren können. Hätten
Sie mit diesem enormen Erfolg gerechnet?
Ja und nein. Mir war schon klar, daß der Amiga-Markt seit dem Quasi-Weggang
des Amiga-Magazin wieder bereit war für eine ambitionierte Zeitschrift. Wenn
ich ehrlich bin, habe ich mir aber darüber nicht allzu viel Gedanken gemacht.
Ich stellte mir einfach vor, wie ein Magazin sein müßte, damit ich es gern
jeden Monat wieder am Kiosk kaufen würde. Das ist bis heute meine Motivation
beim Gestalten der aOS: Ich versuche einfach, das Magazin so zu gestalten,
daß es mir wirklich gefällt. Wenn es dann noch anderen gefällt, ist das
natürlich umso schöner. Dieser Ansatz ist zugegebenermaßen etwas egoistisch,
scheint aber zu funktionieren.
Den größten Anteil an unserem Erfolg hat aber zweifellos Ali Goukassian, der
sich auf das Risiko eines neuen Magazins in einem nicht ganz einfachen Markt
eingelassen hat und uns seitdem hervorragend unterstützt und berät. Ohne Ali
und den Falke Verlag gäbe es letztendlich die amigaOS nicht.
Können Sie Angaben zur Auflage machen?
Sie werden sicher verstehen, daß ich hier keine genauen Angaben machen kann,
da durch die Fusion mit der Amiga Plus die Auflage nochmals steigt. Wir
werden soweit steigern, bis wir wirklich flächendeckend vertreten
sind.
Der Falke Verlag war ja auch auf der HEW `99 vertreten. Wie haben Sie
persönlich die Messe erlebt und hat es sich auch wirtschaftlich für den
Falke Verlag gelohnt?
Die Messe hatte zwei Gesichter: Auf der einen Seite waren da die
Amiga-Händler, die durchweg zufrieden mit den Umsätzen waren. Auf der anderen
Seite waren da die Besucher, die zumeist mit vollen Geldbörsen wieder
abzogen, da keine wirklich neue Hardware zu kaufen war. Hier herrschte
offensichtlich ein Widerspruch - nicht auszudenken, wieviel die Händler
eingenommen hätten, wenn ihnen die neuen G3-/G4-Karten und die
BVision-/CyberVision-Karten bereitgestanden hätten.
Für den Falke Verlag hat sich die Messe sicher gelohnt, da wir ja durch die
freundliche Hilfe von Petro Tyschtschenko auf dem Amiga-Stand gut
untergebracht waren. Es war einfach wichtig, sich nach dem ersten
Publikationsjahr den Lesern wieder zu stellen.
Ich persönlich habe natürlich die überwältigend guten Reaktionen auf die
amigaOS genossen.
Andererseits herrschte auf der Messe an sich eine recht schlechte Stimmung -
Besucher waren enttäuscht, Gerüchte kursierten, wurden dementiert usw. Ich
hätte mir in dieser Hinsicht eine etwas offenere Informationspolitk seitens
Amiga gewünscht, oder jedenfalls ein etwas lockerere Reaktion, wenn aus einer
praktisch nicht vorhandenen Informationspolitik Gerüchte entstehen.
Unmittelbar nach der HEW kam ja die Meldung, daß die Amiga Plus fortan in
die AmigaOS integriert wird, womit die OS die einzig verbliebene Zeitung auf
dem Markt ist - besteht da nicht die Gefahr einer Monopolstellung? Und was
sagen sie dazu, daß sie das einzig verbliebene Amiga Mag sind?
Nun ja, ich will hier nichts schön reden: Sicher ist es nicht das allerbeste
Zeichen für einen Markt, wenn es sich für große Verlage nicht mehr lohnt,
Magazine für den Amiga zu machen. Aber genau hier setzen wir halt mit einem
relativ kleinen Team an: Wir können die Kosten weitaus geringer halten und
kommen schneller in eine Gewinnzone, die für uns interessant ist. Genau
diesen Ansatz verfolgen wir ja auch seit Jahren im Atari-Markt und haben hier
bewiesen, daß man auf dieser Basis über Jahre ein qualitativ hochwertiges
Produkt machen kann.
Ich persönlich habe nicht die Befürchtung, daß wir unsere Stellung ausnutzen
könnten. Ich habe das alles ja schon einmal im Atari-Markt mitgemacht: Hier
hatten wir 5 Zeitschriften, plötzlich waren nur noch wir da. Ich weiß genau,
wie sich der Leser dann fühlt, und daß man sein Vertrauen nicht ausnutzen
darf, um ihn nicht noch weiter zu verunsichern. Wir dürfen diesen
"menschlichen Faktor" nicht vergessen, immerhin ist der Amiga-Markt wie kaum
ein andere mit Emotionen behaftet.
Es stimmt allerdings nicht ganz, daß wir das einzige Amiga-Magazin sind: Leo
Burkert macht mit dem Amiga Magazin doch einen hervorragenden Job, und auch
die Disk- und Online-Magazine wie die NoCover oder auch amiga-news.de werden
immer wichtiger werden.
Wie wird es mit der Amiga Future weitergehen?
Da bitte ich Sie, bei Andreas Magerl und seinem Team nachzufragen. Ich habe
rein gar nichts mit der Future zu tun, bin also wie Sie gespannt auf die
kommende Ausgabe.
Ihre Redaktion ist ja recht groß und enthält einige nahmhafte Namen
(Carsten Schröder etc.). Lohnt sich ein solch großes Redaktionsteam
überhaupt für ein Magazin mit 66 Seiten Umfang?
Sie müssen sehen, daß wir nur sehr wenige feste Redakteure haben. Dazu gehören
Carsten und auch Nico Barbat. Andere Autoren tragen dann in unregelmäßigen
Abständen etwas zur Zeitschrift bei, jeder hat seine Fachgebiete. Ich
persönlich bevorzuge es aber, den Kreis der Mitarbeiter überschaubar zu
halten, da man sich nach einiger Zeit untereinander doch recht gut kennt,
Stärken und Schwächen einordnen kann.
Rechnet sich heutzutage überhaupt noch ein Amiga Magazin? Immerhin ist
der Markt in den letzten Jahren extrem geschrumpft und das Werbevolumen ist
auch längst nicht mehr so groß, wie es einmal war....
Das stimmt sicherlich. Ein Amiga-Magazin zu produzieren rechnet sich sicher
nicht mehr für so große Verlage, wie die , die hier früher am Start waren.
Wie erwähnt, haben wir durch unsere externen Teams jedoch ganz andere
Kalkulationsmöglichkeiten. Wir sind spezialisiert auf kleinere Märkte, setzen
unsere technischen, wirtschaftlichen und vor allem persönlichen Möglichkeiten
so ein, daß wir trotzdem qualitativ hochwertig produzieren können. Auf dieser
Basis sollten wir eigentlich noch ein paar Jahre weiter für den Amiga-Markt
produzieren können.
Wird es aus dem Hause "Falke Verlag" demnächst noch mehr geben (z.B.
X-Ray II etc.)?
In erster Linie werden wir uns auf die Produktion unserer Publikationen
amigaOS/Amiga Plus, Amiga Future und die Amiga-Plus-CD konzentrieren. Sicher
gibt es ein paar Ideen für zukünftige Projekte, z. B. eine CD-Serie unter dem
bekannten Namen "Amiga Fever". Auch Software-Produkte werden wir sicher
verstärkt in den Vertrieb nehmen, allerdings nicht im selben Umfang wie im
Atari-Markt - hier haben wir eine wichtige Funktion als verfügbarer
Softwarelieferrant, eine Funktion, die die existierenden Händler und
Entwickler im Amiga-Markt dagegen noch absolut zufriedenstellend ausfüllen.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage um den Amiga?
Eine unvermeidbare Frage.
Es ist schwer, etwas dazu zu sagen. Man wird die kommenden Monate beobachten
müssen, um hier genaues zu sagen. Ich erwarte, daß sich hier recht
kurzfristig ein paar entscheidende Dinge tun werden, die dem Markt und seiner
Zukunft neue Perspektiven geben.
Grundsätzlich denke ich, daß wir mit dem Amiga nach wie vor ein sehr gutes
Produkt haben, mit dem wir auch noch einige Zeit arbeiten können. Das
Betriebssystem ist hervorragend, die Hardware von externen Firmen immer
weieder soweit "verjüngt" worden, daß in der Praxis gar kein so eklatanter
Leistungsunterschied zu anderen Systemen - besonders zum PC - vorhanden ist.
Was mich zur Zeit jedoch am meisten stört, ist, daß ich Leuten, die mich
fragen, zu welchem Computer ich ihnen rate, keinen Amiga empfehlen kann. Es
sind einfach keine Komplettsysteme da, bei denen das
Preis-/Leistungsverhältnis stimmt. Ich möchte aber den Rechner, den ich
nutze, auch weiterempfehlen können - und genau so ein Produkt brauchen wir.
Die Chance für ein gutes System ist sicher da: Apple schöpft mit dem iMac
exakt den Markt aus, den Amiga und Atari zurückgelassen haben - früher hätte
man diesen Markt als Homecomputermarkt bezeichnet. Wir sollten hier keine
Berührungsängste haben - immerhin ist der Home-Markt eigentlich der
attraktivste Markt, denn hier können sich nur wirklich intuitive und gute
Produkte durchsetzen. Zuhause will sich doch eigentlich niemand mit einem PC
herumärgern, es reicht doch, wenn man dies auf der Arbeit tun
muß.
Die tatsächliche aktuelle Lage schätze ich weit besser ein, als sie gemacht
wird. Schauen Sie doch einmal in unseren Kleinanzeigenmarkt an: Sie werden
sehen, wieviele Leute verzweifelt 3D-Grafikkarten oder PowerPC-Karten suchen.
Der Markt ist also da, man muß nur endlich aufhören, sich zu bedauern und den
Bedarf befriedigen.
Gibt es abschließend noch etwas, was Sie unseren Lesern sagen wollen?
Es macht viel Spaß, mit den Amiganern zusammenzuarbeiten - die Reaktionen sind
viel unmittelbarer als anderswo. Sie sollten sich genau diese Eigenschaft und
ihre Herangehensweise an einen Computer erhalten. Genau dann verändert sich
etwas. Auch, wenn wir eines Tages vielleicht alle mit anderen Systemen
arbeiten, werden wir mit unserer Art, an den Computer heranzugehen und
unseren Ansprüchen einen Unterschied machen. Insofern sorge ich mich nicht im
Geringsten um die Zukunft des Amiga-Computings - wo und wie dieses auch
stattfindet.
Im Namen des ganzen NC Teams bedanke ich mich bei Ihnen für dieses
Interview!
Ich danke Ihnen.